Einzug neuer Technologien ins Museum

Wissensvermittlung mittels Virtual Reality

VR-Workshop am 15.03.18 im Deutschen Auswandererhaus. V.l.n.r. Manuel Krane (Moderation, Deutsches Auswandererhaus), Dr. Thilo Hagendorff (Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften [IZEW], Universität Tübingen), Dr. Jonathan Harth (Lehrstuhl für Soziologie, Universität Witten/Herdecke), Dr. Cade McCall (Department of Psychology, University of York, Gastwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig), Matthias Heidsiek (Übersetzer für Cade McCall). Foto: © Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven/Teresa Grunwald

Plakat zur Ausstellung

Die Digitalisierung durchzieht heute alle Lebensbereiche. Seit einigen Jahren gelten neue Technologien wie Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) als Megatrends. Anwendungen sind bislang vor allem in den Bereichen Spiel, Industrie, Verkehr, Handel, Medizin und Sport zu finden. Noch schmal ist das Spektrum im Kultur- und Bildungssektor. Für Museumsbesucher und -besucherinnen stellen die neuen Technologien häufig „Neuland“ dar.

Für das Deutsche Auswandererhaus realisierten wir im Zuge des von der Beauftragen der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten Projekts „museum4punkt0“ eine Ausstellung mit VR. Wichtig war uns dabei, nicht nur einem Trend zu folgen, sondern die Technologie kritisch zu hinterfragen. Zu Beginn der Konzeptphase haben wir daher im Museum einen interdisziplinären wissenschaftlichen Workshop abgehalten. Beteiligt waren die Disziplinen Ethik, Psychologie und Soziologie. Die Beiträge beschäftigten sich mit den Folgen der Digitalisierung für Gesellschaft und Museumswelt. Diskutiert wurde vor allem über Manipulation, Empathie und die Aura des Originals.

Auf dieser Basis haben wir gemeinsam mit dem Museum das Konzept des Ausstellungsexperiments „Kriegsgefangen. Ohnmacht. Sehnsucht. 1914–1921“ entwickelt. Es wird von einer Studie begleitet, die ergründen soll, welche Form der Wissensvermittlung für welche Zielgruppen am besten geeignet ist. Besucher und Besucherinnen werden direkt in das Experiment mit einbezogen. In einem inszenierten Raum wird zunächst in das Thema des Ersten Weltkriegs eingeführt und die Biografie des Soldaten August Schlicht vorgestellt. An diesen Raum schließen sich kleine Kabinette an. Sie sind den Emotionen Sehnsucht und Ohnmacht gewidmet, die prägend für den Alltag Schlichts in der Kriegsgefangenschaft in Sibirien waren. In zwei Räumen sind diese Gefühle auf klassische objektorientierte Weise präsentiert, in den anderen beiden mittels virtueller Welt und 3D-Reproduktionen der Originale.

In den VR-Kabinetten wird die Perspektive des Gefangenen eingenommen. Denn der kognitiv intellektuelle Aufwand, sich in eine andere Person hineinzuversetzen, ist mit VR im Gegensatz zum geschrieben Text geringer. Die Anwendung „Sehnsucht“ bringt die Besucher direkt in den Kopf des Protagonisten. In einer abstrakten Darstellung eines neuronalen Netzes können sich die Nutzer und Nutzerinnen mittels Headtracking Objekte auswählen und so in einzelne Gedanken um seine Familie eintauchen. Bei diesem Verfahren wird über Sensoren an der Brille die Blickrichtung des Kopfes erfasst und eine Aktion ausgelöst. Bei der Anwendung „Ohnmacht“ befinden sich die Betrachtenden in der sibirischen Taiga. Auch hier handelt es sich um eine künstlerische Verfremdung, so dass der fiktive Ansatz deutlich wird. In dieser Anwendung können sich die Nutzer und Nutzerinnen lediglich in der Weite der Landschaft umschauen und auf Post aus der Heimat warten während die Jahreszeiten wechseln. So kann die Trostlosigkeit nachempfunden werden.

Die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen. Die Hardware ist teuer und ihr Einsatz im Museumsbetrieb personalintensiv. Dennoch kann sie einen Beitrag in der Vermittlung leisten. Wichtig ist uns, dass der Einsatz sinnvoll und die Bedienung möglichst einfach und intuitiv ist.

VR-Kabinett in der Ausstellung

VR-Anwendung „Sehnsucht“: In einem neuronalen Netz können Besucher und Besucherinnen durch die Auswahl von Objekten etwas über Gedanken eines Kriegsgefangen an die Familie erfahren.

VR-Anwendung „Ohnmacht“: Schauplatz ist die sibirischen Taiga. Während die Jahreszeiten vergehen, warten Nutzer und Nutzerinnen wie einst der Kriegsgefangene auf Post aus der Heimat.